04.12.2019 DAX-Strategien: So profitieren Sie von der 200-Tage-Linie
Rückblickend betrachtet war das Börsenjahr 2019 eigentlich perfekt. Der DAX steht gut 20 Prozent höher und könnte seine Bestmarke noch übertrumpfen. In der Realität dürften aber selbst nur wenige Profis eine ähnlich starke Performance erzielt haben. Handelsstreit, geopolitische Krisen, Rezessionsängste – Gründe für einen Crash gab es immer. Um solche psychologischen Barrieren nicht nur im kommenden Jahr leichter zu meistern, sind einfache Strategien eine clevere Lösung. Wir zeigen am Beispiel der populären 200-Tage-Linie, wie Anleger den DAX langfristig deutlich schlagen. Von Franz-Georg Wenner
Während der DAX im Herbst/Winter 2018 unter die Räder kam, sieht die Ausgangslage zwölf Monate später wesentlich besser aus. Mit dem Jahreswechsel wurde zugleich das Tief gesetzt, zuletzt eroberte der Markt auch die 13.000er-Schwelle zurück. Aber wie geht es 2020 weiter, haben die Aktienmärkte noch ausreichend Kraft für eine Fortsetzung der seit rund zehn Jahren laufenden Rally? Oder werden die zuletzt wieder häufiger im Fokus stehenden Crash-Propheten Recht behalten? Gerade hierzulande, wo gerne sicherheitsorientiert angelegt wird und viele nach Bestätigung ihres Misstrauens gegenüber den Kapitalmärkten suchen, sind Untergangsszenarien weit verbreitet. Angesichts der langen Liste an Risikofaktoren, mit denen wir uns auch im nächsten Jahr auseinandersetzen müssen, gilt es die eigenen Emotionen im Griff zu behalten. Was sich einfach anhört, stellt in der Praxis eine enorme Herausforderung dar.
DAX als Benchmark
Der tiefe Blick in den Rückspiegel zeigt dies deutlich. Seit der Jahrtausendwende erlebten DAX-Anleger eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Auch wenn nur sechs der vergangenen 20 Börsenjahre im Minus endeten, fällt die Rendite p.a. mit 3,3 Prozent mager aus. Ursache für die schwache Performance sind einige herbe Rückschläge: 2002 und 2008 sackte der Markt um gut 40 Prozent ab. Wer den DAX im Jahr 2000 zum Hoch kaufte, lag Anfang 2003 gut 70 Prozent im Minus. Erst sieben Jahre später war der Depotwert – für kurze Zeit – auf Einstand, anschließend folgte der nächste Crash.
Richtig ist aber auch: Langfristig führt an Aktien kein Weg vorbei, der klassische „Buy and Hold“-Ansatz zahlt sich aus. Anleger die Anfang 2000 mit 100.000 Euro eingestiegen sind, freuen sich derzeit über einen Depotwert von 192.000 Euro. Mit diesen Eckdaten haben wir zugleich eine „Benchmark“, um Strategien auf Basis der 200-Tage-Linie beurteilen zu können.
Berechnung der 200-Tage-Linie
Nicht nur Anfänger an der Börse arbeiten gerne mit Gleitenden Durchschnitten. Der Kursverlauf wird so geglättet und Trends sind einfacher zu erkennen. Für die Berechnung wird ein bestimmter Betrachtungszeitraum der Datenreihe verwendet, zum Beispiel die vergangenen 200 Handelstage. In der einfachen Version werden so für jeden Tag das arithmetische Mittel der Schlusskurse ermittelt und anschließend die einzelnen Durchschnittskurse miteinander verbunden. Steht ein neuer Kurs zur Verfügung, wird der älteste Kurs für die Berechnung nicht mehr berücksichtigt. Gleitende Durchschnitte zählen somit zu den trendfolgenden Indikatoren. Je mehr Kurse verwendet werden, desto langsamer reagiert die Signallinie auf Veränderungen. Mittelwerte wie der 200-Tage-Durchschnitt sind daher wichtig, um die Aussichten für die kommenden Monate zu beurteilen. Trader mit einem Anlagehorizont von wenigen Tagen achten hingegen stärker auf die zehn oder 21-Tage-Linie.
Auch die Interpretation ist denkbar einfach. Steigt der Kurs über den Gleitenden Durchschnitt, wird dies als Kaufsignal gewertet. Umgekehrt, wenn der Kurs den Durchschnitt von oben nach unten schneidet, heißt es verkaufen. Läuft der Markt oberhalb seines steigenden 200-Tage-Schnitts, unterstellt die technische Lehre einen Aufwärtstrend. Notiert der Basiswert analog unter der Signallinie, liegt demnach ein Abwärtstrend vor. Besonders populär ist die 200-Tage-Linie: Selbst Anleger, die eher fundamentale Faktoren berücksichtigen, schauen oft auf diesen langfristigen Durchschnitt. Weil viele Akteure im Bereich der Signallinie ähnlich handeln, kann durchaus eine sich selbst erfüllende Prophezeiung unterstellt werden. Aber ist es auch vorteilhaft, danach zu handeln?
Stärken und Schwächen
Aufgrund der erwähnten trendfolgenden Konstruktion und der Berechnung auf Basis der letzten 200 Handelstage reagiert die 200-Tage-Linie sehr träge auf Veränderungen. In starken Trendphasen kann dies von Vorteil sein, um Fehlsignale zu vermeiden. Pendeln die Kurse allerdings seitwärts und schneiden häufig den Mittelwert, sinkt die Signalqualität. Deutlich wird der Effekt mit der folgenden Grafik. Grün markiert sind Perioden, in denen der DAX über dem Durchschnitt handelte, während bei den roten Zonen ein Ausstiegssignal vorlag.
Mit dem Rücksetzer unter den langfristigen Durchschnitt im Jahr 2000 sowie 2008 folgten unmittelbar längere Abwärtsbewegungen. Hier leistete die 200-Tage-Linie gute Orientierung. Dies gilt umgekehrt auch für die Aufwärtsbewegungen ab 2004 sowie 2009 und 2012.
Unterbrochen wurden die positiven Phasen aber immer wieder von kurzen Fehlsignalen. So wären Anleger 2004, 2006, 2009, 2010, 2012 und vor allem in der jüngeren Vergangenheit häufig zu früh ausgestiegen. Auch 2018 war die Ausgangslage zur Jahresmitte unklar, Kauf- und Verkaufssignale wechselten sich ab. Besonders in den Spätsommermonaten steigt das Risiko. Und auch beim Timing müssen sich Anleger in Geduld üben. Stärkere Abwärtsbewegungen antizipiert die 200-Tage-Linie zwar meist frühzeitig. Nicht selten folgt auf einen Ausverkauf aber auch eine dynamische Erholung. Bis der DAX den Mittelwert zurückerobert hat, vergeht häufig viel Zeit. Die lukrativen Tiefpunkte werden mit diesem Ansatz nicht getroffen, meist steht der DAX bereits deutlich höher.
Wir haben die Daten ausgewertet – nur so ist ein Vergleich mit der „Buy and Hold“-Strategie möglich. Seit dem Jahr 2000 kletterte der DAX 52 Mal über die 200-Tage-Linie und generierte ein Kaufsignal. Im Durchschnitt blieben Anleger 60 Tage investiert, die Trefferquote liegt aber nur bei 40 Prozent. Hier wirken sich die zahlreichen Fehlsignale negativ aus.
DAX sieht die Rücklichter
Wären Anleger seit dem Jahr 2000 mit dem Ansatz besser gefahren als mit der „Buy and Hold“-Strategie? Eindeutig, wie der Vergleich zeigt (200-Tage-Regel: blaue Linie; DAX: rote Linie). Die (geometrische) Rendite p.a. beträgt 6,2 Prozent und führt zu einer Outperformance von rund 140 Prozent oder 2,8 Prozent p.a.. gegenüber dem DAX. Aus 100.000 Euro wären aktuell 335.000 Euro geworden.
Ein wesentlicher Unterschied liegt im Risiko begründet und damit einer Kennzahl, die bei Handelssystemen von großer Bedeutung ist (rot markiert). Während der DAX zwischen 2000 bis 2003 um 70 Prozent abstürzte, haben Anleger mit der 200-Tage-Regel ihr Pulver trocken gehalten. Ähnlich ruhige Nächte hatten Börsianer auch während der turbulenten Phase 2008/2009. Mit minus 25 Prozent fällt der maximale Rückgang wesentlich geringer aus, der größte realisierte Verlust liegt bei minus sieben Prozent (2016). Entsprechend gering ist auch die Volatilität der Strategie mit elf Prozent – der DAX kommt auf 20 Prozent.
Einfache Optimierung
Natürlich könnte die 200-Tage-Strategie über komplizierte Ein- und Ausstiegsverfahren, Indikatoren sowie Short-Regeln weiter verfeinert werden und so den DAX noch deutlicher übertreffen. Allerdings würden Sie davon nicht profitieren, weil kaum ein Kleinanleger entsprechende Software zur Verfügung hat. Wir haben daher den vorgestellten Ansatz so optimiert, dass jeder den Mehrwert nutzen kann.
Um die Trefferquote zu erhöhen, sind Schwellenwerte als Filter ein einfaches und zugleich wirkungsvolles Instrument. In der Praxis erfolgen Kauf und Verkauf erst, wenn der DAX den Gleitenden Durchschnitt um einen bestimmten Prozentsatz über- oder unterschritten hat. In trendschwachen Märten sinkt so die Anzahl von Fehlsignalen, was sich zugleich positiv auf die Transaktionskosten auswirkt. Allerdings darf der Schwellenwert auch nicht zu großzügig gewählt werden. Andernfalls liefert das System erst sehr spät Ein- und Ausstiegssignale mit entsprechend negativen Auswirkungen auf die Performance.
In Testreihen haben wir unterschiedliche Schwellenwerte für den Ein- und Ausstieg für die vergangenen 20 Jahre untersucht. Die Daten untermauern die bereits erwähnten Vor- und Nachteile. Wird der Filter beim Kauf zu großzügig gewählt, wirkt sich dies negativ auf die Rendite aus. Erfolgte der Einstieg, wenn der DAX die 200-Tage-Linie erst um mehr als fünf Prozent per Tagesschluss überboten hat, erzielten Anleger in den vergangenen 20 Jahren nur eine Rendite von vier Prozent p.a. (Verkauf, sobald der Mittelwert unterschritten wurde). Zudem steigt das Risiko, der maximale Rückgang lag bei mehr als 30 Prozent.
Ein Fünf-Prozent-Schwellenwert beim Verkauf verbessert die Rendite hingegen auf sechs Prozent. Aufgrund des „späten“ Verkaufs sind Anleger aber auch länger bei kräftigen Abwärtsbewegungen investiert, was sich negativ auf das Risiko auswirkt.
Fassen wir uns kurz: Der beste Mix mit Blick auf die Rendite und das Risiko liefert der vier Prozent-Filter. Kaufsignale auf Basis der 200-Tage-Linie liegen vor, wenn der DAX den Mittelwert zum Tagesschluss um mehr als vier Prozent übertrifft. Der Ausstieg erfolgt, sobald der Index den Durchschnitt um mehr als vier Prozent zum Handelsende unterbietet. Mit dieser Strategie erzielten Anleger seit dem Jahr 2000 eine Rendite von 7,5 Prozent p.a., verglichen mit 3,3 Prozent mit dem „Buy and Hold“-Ansatz. Die Outperformance des Systems gegenüber dem DAX beträgt aktuell rund 229 Prozent oder 4,2 Prozent p.a. Ein wesentlicher Grund dafür liegt in den geringeren Verlusten (Differenz Hoch zum Tief). Anleger mussten einen maximalen Rückgang von knapp 20 Prozent verschmerzen, der DAX sackte um mehr als 70 Prozent ab. Entsprechend kurz ist die längste Verlustphase (2,2 Jahre gegenüber 7,3 Jahre beim Index).
Fazit
Auch wenn die 200-Tage-Linie als Signalgeber oft belächelt wird, zeigt unsere Auswertung, dass Anleger mit dem Mittelwert den Gesamtmarkt langfristig deutlich schlagen. Zwar liefert der Ansatz vor allem in Seitwärtsmärkten viele Fehlsignale. Rauschen die Börsen allerdings in den Keller, spielt die Strategie ihre Vorteile aus. Größere Verluste werden vermieden, entsprechend steht viel Kapital für den Wiedereinstieg zur Verfügung. Aufgrund der trendfolgenden Konstruktion wird der Tiefpunkt meist deutlich verfehlt, dennoch profitieren Anleger kräftig von großen Aufwärtsbewegungen. Um das Risiko von Fehlsignalen zu verringern, stellen die vorgestellten Schwellenwerte für den Ein- und Ausstieg eine einfache und effektive Möglichkeit dar, die Performance zu verbessern.